Vom Tetrachord zum Lamento
A-G-F-E
Der
achttönige phrygische Modus,
E-D-C-H ... A-G-F-E Um 1600 diente das fallende phrygische Tetrachord des M.A. als Bassfundament und gleichzeitig als Melodiegerüst für die neuen akkordharmonischen Bassformeln wie Romanesca, Ciacona oder Passacaglia. Durch
Kompositionen wie Monteverdis "Aria Di Arianna" wurde nun das
Tetrachord A-G-F-E zum
"Lamento-Motiv" der
Affektenlehre des Barock und
stand für die "Affekte" Klage oder
Trauer. Als
intensivierte Lamento-Spielart bildete sich der chromatische
Lamentobass
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Das
Lamento als Jazz-Klischée
Das chromatische Tetrachord der griechischen Musiklehre entspräche
heute der Bassfolge A-F#-F-E eines gängigen Turnarounds in
Blues und Jazz wie bei der Akkordfolge A7-F#7-F7-E7. Dies wird dadurch möglich, dass der Standardabstand zwischen den vier bis sechs Lamento-Tönen nicht mehr nur in der bis dato üblichen Größenordnung eines notierten Halbtaktes, Taktes oder Taktpaares vorkommt, sondern auch je vier oder mehr notierte Takte betragen kann. Durch derartige "Aufblähungen" wird das Lamento-Konzept unweigerlich in den Stand eines "Meta-Themas" erhoben. Im Kontext unserer beiden phrygischen Tetrachorde läßt sich das Aufkommen neuzeitlicher Akkorde durch das Einbetten der Folge C-H-A-G (jonisches Tetrachord) darstellen. E-D-C-H
phrygisches Tetrachord Die erste Spalte bilden die beiden neuen "harmonischen" Terzen, die "Dur"-Terz C-E oder die "Moll"-Terz A-C. Mit ihnen kam sozusagen der Dreiklang in die Welt. |
Lamento und Ground als Das
praktische Hauptproblem lag im Einstimmen der schwarzen Klaviertasten,
Blendete
man das Bass-Tetrachord A-G-F-E aus, wäre das Resultat das typische
zweistimige Gerüst eines Ground. Am
Beispiel des Tones H wird das Dilemma der Renaissance gegenüner dem
M.A. deutlich, denn fortan gibt es zwei "reine" H-Töne -
das "alte H" als völliig reine Quinte von E Mit dem "neuen H" würde der vormals dissonante Ditonus G-H zur wohlklingenden harmonischen Terz, was aber dadurch "bezahlt" wird, dass die vormals reine Quinte E-H zur dissonanten Wolfsquinte schrumpft. Da also kein "rechter Winkel" zwischen den "horizontalen" Quinten der reinen Quintenstimmung und den "vertikalen" Terzen der reinen Terzenstimmung möglich ist, musste mindestens das H um beide Funktionen zu erfüllen, irgendwie "diagonal" verstimmt werden.
Man kann diese bewusste Verstimmung der "rechtwinkligen" reinen
Intervalle Quinte
und Terz in
der Renaissance mit den leicht zugespitzten rechten Winkeln bei der perspektivischen
Darstellung vergleichen. |
Der
Turnaround Ground
als "jonisches Bass-Tetrachord" Lamento
als "jonisches Melodie-Tetrachord" Als
zweistimmige Modelle erweisen sich Ground und Lamento im
Kleinen als ähnlich komplementär zueinander, wie es im Großen
die Tongeschlechter Dur und Moll sind. |
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